Warum Menschen Unikate sind

Persönlichkeit und Personalmanagement
Standardisierung beherrscht unsere von industriellen Prozessen und
Technologie geprägte Welt. Standards stellen sicher, dass alles zusammen
passt - wie die Schraube zur Mutter. Sie haben ihre Berechtigung und gewährleisten, dass Autos, Smartphones und vieles mehr einwandfrei funktionieren. Menschen lassen sich dagegen kaum standardisieren, auch wenn der Trend dazu im Personalmanagement unverkennbar ist. Jeder Mensch ist und bleibt einzigartig, privat und in der Arbeitswelt. Im Personalwesen lässt sich die Passung zwischen Mensch und Rolle im Team nicht über Normen beurteilen und vereinheitlichen.
Brunello Gianella regt eine neue Sichtweise auf die Aufgabe von Personalern an:
„Läge die Persönlichkeit der Mitarbeiter im Fokus des Personalmanagements, wäre die Personalabteilung das Herz jedes Unternehmens, ohne dessen Wirken kein Unternehmen leben könnte. Hier würden nicht nur Talente geboren oder entdeckt, sondern auch gemäß ihrer Motivationsstruktur gefördert – zum Vorteil des Unternehmens.“ Human Resources, wie die zuständigen Abteilungen in vielen Unternehmen bezeichnet werden, wandelt sich so vom Personalverwalter zur Talentschmiede der menschlichen Ressourcen des Unternehmens.
Menschen sind Unikate und brauchen eine Nische zum Blühen
Standards sind in der Personalauswahl fehl am Platz. Leider lesen sich viele
Stellenausschreibungen wie genormte Listen geforderter Kenntnisse und
Fähigkeiten. Der Mensch hinter diesen Kenntnissen und Fähigkeiten geht verloren. Eigentlich in Frage kommende Kandidaten sortieren Personaler und
Fachabteilungen bereits anhand schriftlicher Bewerbungsunterlagen aus. Der
Fokus liegt alleine auf Fachkenntnissen und der Vorstellung, die HR Business
Partner und Abteilungsleiter vom typischen Stelleninhaber im Kopf haben.
Charakter und Individualität potentieller Mitarbeiter bleiben bei dieser Art des
Auswahlverfahrens auf der Strecke. Zum Vorstellungsgespräch schaffen es nur
Bewerber, die in die Schablone passen. Die erste Chance, ein Talent zu
identifizieren, ist vertan. Dabei lassen sich fehlende Fachkenntnisse durch
Trainings vermitteln. Wichtige Charaktereigenschaften, die bei die erfolgreichen Ausübung einer Rolle entscheiden, werden nicht genügend berücksichtig. Und daran scheitern dann manche Talente oder Fachexperte. Andere, die man maussortiert hat, wären dagegen aufgeblüht, weil sie die Nische ihrer Persönlichkeit entsprechend gefunden hätten. Das persönliche Gespräch folgt häufig berechenbaren Schritten und altbekannten Fragenkatalogen, auf die sich versierte Kandidaten gut vorbereiten. Besondere und außergewöhnliche Qualitäten des Einzelnen bleiben im Verborgenen. Die zweite Chance die richtige Person für die Rolle zu entdecken ist ebenfalls vertan.
Die Rolle und die Kultur muss zum Menschen passen.
Neben fachlichen Anforderungen stellt jede Stelle eine Vielzahl weiterer Ansprüche an den Mitarbeiter, der sie ausfüllen soll. Mit den üblichen Persönlichkeitstests versuchen Unternehmen Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit oder Empathie sicherzustellen. Die Testverfahren erfassen jedoch nur bestimmte Eigenschaften der Kandidaten, nicht aber ihre Individualität und innere Motivation.m Sie versuchen auf schematische Art zu gewährleisten, dass Mensch und Stelle zusammen passen. Der Stelleninhaber muss jedoch nicht nur eine Stelle und ein Bündel von Aufgaben und Fachkenntnissen einnehmen. Vielmehr muss er oder sie eine Rolle in der gelebten Unternehmenskultur auch ausfüllen. Dabei kommen die
persönlichen, charakteristischen Eigenheiten der Person ins Spiel. Fügen sich
Mensch, Unternehmenskultur und Rolle ideal zusammen, ist die Mitarbeiterin hoch motiviert, empfindet Freude bei Ihrer Tätigkeit und kann sich selbst verwirklichen. Motivierte Menschen brennen für Ihre Arbeit, was zu besseren Ergebnissen und neuen Ideen führt. Das nachhaltige Engagement ohne äußeren Zwang fördert Austausch, Kreativität und Innovation. Genau das benötigen Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung. Passt der Mensch nicht zu der Rolle wie sie im Unternehmen , die er ausfüllen soll, fühlt er sich überfordert, scheitert und endet schlimmstenfalls im Burn Out. Die Weisheit, dass es keine schlechten Mitarbeiter, sondern nur Mitarbeiter am falschen Platz gibt, kennt fast jeder. Konsequenzen hat die Einsicht weder bei Großunternehmen noch bei mittelständischen Firmen. Brunello Gianella wagt die These, dass 80 Prozent aller Stellen falsch besetzt sind. Die fachlichen Kompetenzen stimmen, die persönliche Passung jedoch nicht.
Individuelle Eigenschaften machen den Menschen aus
Damit ein Mitarbeiter sich für seine Aufgabe begeistert, müssen seine
Grundeinstellung, seine Ziele und sein innerer Antrieb mit dem Wesen der Rolle in der konkreten Arbeitsumgebung übereinstimmen. Dies herauszufinden, ist die zentrale Rolle eines kompetenten Personalers und der erfahrenen Rekruterin. Menschenkenntnis ist gefragt, um Kandidaten authentisch zu erleben. Die vielgelobte Künstliche Intelligenz (KI) ist an dieser Stelle noch nicht hilfreich, sondern automatisiert den Auswahlprozess stärker, ohne seine Schwächen auszuräumen. Wir brauchen die KI um objektive Auswahlverfahren zu ermöglichen. Gerade große Unternehmen neigen dazu, immer wieder den gleichen Typ Mitarbeiter zu rekrutieren. Sie übersehen Talente, die Teams motivieren, Vorgesetzte, die ihre Mitarbeiter im eigentlichen Sinne des Worte führen und Menschen, die andersartige, kreative Ideen einbringen. Schafft es eine echte Persönlichkeit durch den Auswahlprozess, verlässt sie das Unternehmen häufig nach kurzer Zeit. Ohne Entfaltungsmöglichkeiten und Freiraum erstickt sie und sucht sich ein neues Betätigungsfeld.
Digitalisierung und agiles Arbeiten
Die digitale Transformation, die engagierte, flexible und mutige Vordenker im
Unternehmen voraussetzt, erfordert ein Umdenken im Personalwesen. Um eine
nachhaltige Harmonie zwischen Charakter und Rolle zu schaffen, empfiehlt
Brunello Gianella, Standards und überkommene Prozesse über Bord zu werfen.
Feste Strukturen in der Organisation und gleichbleibende Zuständigkeiten gehören der Vergangenheit an. Sich wandelnde Aufgaben und Rollen erfordern echte Charaktere, die ihre Rolle selbst gestalten und proaktiv anpassen. Die digitale Welt ist schnelllebig und projekt-orientiert. Agiles Arbeiten in Sprints fordert immer wieder neue Kompetenzen und Fähigkeiten. Nur wer sich in seiner Rolle 100 Prozent wohl fühlt und mit ihr wachsen kann, wird dauerhaft gute Leistung erbringen, ohne auszubrennen. Die Digitalisierung setzt auf Innovation und Veränderung. Genormte Menschen in Anzügen stehen nicht für Kreativität und Erfindungsreichtum. Dafür bedarf es anstatt geklonter Mitarbeiter starker Individuen und hoher Diversität im Team.
Nachhaltige Motivation anstatt Burn Out
Unternehmen versuchen ihre Mitarbeiter durch monetäre und nicht monetäre
Leistungsanreize zu motivieren. Diese sind zu einem gewissen Grad erfolgreich,
funktionieren aber meist nur zeitlich limitiert. Gegen den eigenen Antrieb zu
arbeiten, ist anstrengend und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Burn Outs.
Mitarbeiter, die ihren Weg durch die Hierarchieebenen gehen, verlieren ihre
Eigenheiten und passen immer besser in die gewünschte Form. Fachkenntnisse
erreichen sie durch zusätzliche Schulungen. Unerwünschte
Charaktereigenschaften, die die Karriere behindern, unterdrücken sie. Individualität und Leistungskraft gehen verloren. Gleiches gilt jedoch auch für die damit einhergehende Innovationskraft von Unternehmen. Vorhandenes Potenzial von Menschen bleibt unausgeschöpft liegen, zum Schaden von Mensch und Betrieb.
Von der Personalabteilung zum People Management
Viele Unternehmen betrachten HR als reine Personalverwaltung. Juristen
dominieren mit ihrer Kompetenz beim Erstellen von Arbeitsverträgen und
Betriebsvereinbarungen die so definierte Personalarbeit. Häufig nicht qualifizierte Umbesetzungen aus anderen Abteilungen unterstützen in der Administration. Gemessen wird ihre Leistung an Kennzahlen, die an der eigentlichen Aufgabe vorbei gehen. Das reduzierte Verhältnis der Headcounts zum Umsatz oder Statistiken zu niedrigen Fehlzeiten und Personalkosten zeichnen erfolgreiche Arbeit aus. Sie verdecken ein Versagen bei der Rekrutierung fast vollständig. Hinter standardisierten Stellenbeschreibungen lässt sich der Mangel an qualitativ hochwertiger Personalarbeit objektiv verstecken. Das Ergebnis sind Mitarbeiter, die ihre vorhandene intrinsische Motivation nicht nutzen können und damit auch ihre Fähigkeiten und Kompetenzen nicht einsetzen. Ihre Leistung bleibt hinter ihrem
Potenzial zurück. Jedes Unternehmen besteht letztlich aus Menschen - Individuen, die auf eine Weise handeln und reagieren, die Erfolg oder Misserfolg ermöglicht. Das bedeutet, dass es Menschen sind, die die wahre Stärke (oder Schwäche) eines Unternehmens ausmachen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die richtigen Leute im Unternehmen zu haben, die auf produktive und nicht kontraproduktive Weise interagieren. Es erfordert den Aufbau einer positiven Kultur, die den Werten und Zielen des Unternehmens entspricht, und dies wiederum erfordert Mitarbeiter, die gut in dieser Kultur arbeiten. Dieser Prozess beginnt mit der Rekrutierung: Die Einstellung ist ein Schlüsselmoment beim Aufbau der Kultur eines jeden Unternehmens. Ziel erfolgreicher Human Resources Experten muss es sein, die Menschen zu finden, die durch ihren Antrieb und ihre ureigensten Charaktereigenschaften die ihnen zugedachte Rolle ausfüllen und unerwartete Situationen meistern. Sie machen keinen Dienst nach Vorschrift, sondern bringen sich voll in ihre Arbeit ein und meistern Phasen des Wandels. Sie empfinden dies nicht als Belastung, sondern als Bereicherung. Neue Mitarbeiter bringen ihre Persönlichkeit, ihre Emotionen und Gewohnheiten ebenso mit wie ihre Fähigkeiten und Erfahrungen. Sie beeinflussen unweigerlich das Unternehmensumfeld.
Human Resources ist keine klassische Unterstützungsfunktion, sondern wird zum Herzstück des erfolgreichen Unternehmens. HR trägt nicht nur die erfolgreiche Rekrutierung und optimale Passung der Mitarbeiter. Die Personaler sorgen auch für deren nachhaltige Bindung und unterstützt sie dabei, ihr persönliches, geistiges und fachliches Potenzial voll zu realisieren.